Terror und Ideologie
Zur Eskalation der Gewalt im Leninismus und Stalinismus (1905 bis 1937/1941)
Autor: Richard Buchner
Sprache: Deutsch
Erscheinungsdatum: 3. Mai 2011
Umfang: 546 Seiten
ISBN 978-3-86583-554-3
Preis: 34.90 €
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Beschreibung
Folgt man Hannah Arendt und vielen anderen Kennern der Geschichte des 20. Jahrhunderts, dann waren Terror und Ideologie die zentralen Scharniere des Funktionierens der sowjetischen Gesellschaft. Dieser Befund ist hinsichtlich der Ideologie heute faktisch unstrittig, während die Rolle des Terrors nicht selten kontrovers und teilweise direkt unversöhnlich erörtert wird. Zumeist verbindet sich mit diesem Stichwort eine Erinnerung allein an die Zeit „des Großen Terrors“ in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre, womit – beabsichtigt oder nicht – die Annahme genährt wird, dass dies eine besondere Periode gewesen sei, ein Herausfallen aus der Normalität, so dass hieraus kein typischer Grundzug der Politik in der Sowjetunion abgeleitet werden könne.
Der hier vorliegende Band stellt sich der Aufgabe, Gewalt in ihren mannigfachen Ausprägungen als durchgängig konstitutives Element der Machtausübung in der Sowjetunion zu analysieren und zu zeigen, dass bereits seit den ersten Jahren nach der Oktoberrevolution, die Lenin und Trotzki an der Spitze des neuen Staates sahen, dieser Grundzug hervortrat. Der gesamte Weg der UdSSR war hiervon geprägt, die gewaltigen gesellschaftlichen Veränderungen, die sie erlebte, trugen auch stets dieses Kainsmal. Die unbarmherzige Härte dieser Gewalt konnte jederzeit einfache Menschen ebenso treffen wie Angehörige der Elite des Sowjetstaates. Selbst die größten Verwerfungen in der sowjetischen Politik, denkt man etwa an den Abschnitt des Nichtangriffs- und Freundschaftsvertrages mit dem nationalsozialistischen Deutschland 1939 bis 1941, änderten daran nichts.
Die unzähligen Tragödien, die sich im Lande abspielten, vermochte der militärische Sieg im Zweiten Weltkrieg zwar kurzzeitig zu verdecken, doch auch der Sieg 1945 bedeutete hier keinen Paradigmenwechsel. Im Gegenteil: Als das das Land überziehende Netz der Lager des GULag dünnmaschiger wurde, war das keine Abkehr von einem essentiellen Baustein in der Politik der UdSSR, sondern der Einsicht in die zunehmende wirtschaftliche Ineffizienz der Lager geschuldet. Neue Formen der Gewalt brachen sich letztlich Bahn, und erst die Liquidierung des sozialistischen Systems durch Michail Gorbatschow setzte auch hier den Schlusspunkt.
Das außerordentlich material- und facettenreiche Buch möchte die Diskussion hierzu vertiefen. Es steht in einer Reihe mit zwei weiteren Studien des Verfassers, die sich dabei aber nicht als späte Schuldzuweisung verstehen, sondern deren Quintessenz Warnung und Mahnung sein soll: Den Weg in eine Zukunft, die solche zivilisatorischen Brüche schon in ihren Anfängen zu verhindern vermag, die statt dessen die Menschenwürde, den Dialog und die Versöhnung als wichtigste Normen ansieht, findet nur, wer sich der geschichtlichen Erfahrungen ehrlich versichert.